Wenn Kinder und Jugendliche eine nahestehende Person durch Tod verlieren, wird ihre Lebenswelt grundlegend erschüttert. Wie können pädagogische Fachkräfte Kinder und Jugendliche unterstützen? Wir haben uns darüber mit einer Trauerbegleiterin unterhalten.
Sabine Samira Schüller ist staatlich anerkannte Diplom-Sozialpädagogin (FH), systemische Trauerbegleiterin (Zertifikat BVT), Erlebnispädagogin für Mensch und Tier und begleitet seit 2009 trauernde Kinder und Jugendliche sowie deren Zugehörige. Als pädagogische Leitung des Vereins Trauernde Kinder Schleswig-Holstein e.V. und Freiberuflerin im Bereich tiergestützter Trauerbegleitung bringt sie langjährige Erfahrung in der Einzelberatung, Trauergruppenleitung, Teamberatung und in der Akutbegleitung betroffener Schulen, Kitas und anderer pädagogischer Einrichtungen mit.
Welche Empfehlungen haben Sie für pädagogische Fachkräfte?
Sabine Schüller: In der Begleitung trauernder Kinder, Jugendlicher und ihrer Angehörigen finden sich viele Elemente aus dem pädagogischen Alltag wieder. Das Rad muss nicht neu erfunden werden! Hilfreich ist, sich als pädagogische Fachkraft innerhalb der Einrichtung oder im Team mit dem Thema auseinanderzusetzen, um ihm sowohl präventiv als auch im Akutfall kompetent begegnen zu können.
Um trauernde Kinder und Jugendliche zu unterstützen braucht es Herz, Hand und Verstand: Herz, das bedeutet Einfühlungsvermögen und Empathie, die Hand symbolisiert die Handlungskompetenz durch Methodenkenntnisse. Der Verstand bezieht sich auf das Wissen, welches notwendig ist, etwa zum Todesverständnis von Kindern. Diese verändert sich im Laufe der Kindheit und Jugend.
Kinder und Jugendliche trauern anders als Erwachsene. Sie drücken sich im Spiel aus, in Kreativität und in Bildern. Sie springen von schweren Themen zu leichten und wieder zurück. Häufig führt das zu Missverständnissen bei den Erwachsenen im Umfeld.
Sätze wie: „mein Kind trauert nicht richtig“ begegnen mir in der Beratung sehr häufig. Es gilt, dem Kind altersgerecht zu begegnen und seine Reaktionen und Fragen einzuordnen, um es dann altersgemäß unterstützen zu können. Können Pädagog*innen Reaktionen, Fragen und Bedürfnisse trauernder Kinder und Jugendlicher einordnen, fällt es sehr viel leichter, die Heranwachsenden im Einrichtungsalltag in ihrer Situation zu sehen und sie zu begleiten. Eine gute Balance aus Verständnis, Normalität, Rücksichtnahme und Grenzen zu finden, ist die Herausforderung, die es mit Humor und Mut zu meistern gilt.
Es ist wichtig, dem Kind Raum für Erinnerungen zu geben, Möglichkeiten, den Abschied mitzugestalten. Rituale und Kommunikationshilfen mit Hilfe von Kreativangeboten fördern das Miteinander und lassen einen Weg aus Hilflosigkeit und Schweigen herausfinden. "Kommunikationshilfe" bedeutet, mit kreativen Methoden, Ein Hund mit Blättern im FellRitualen oder Büchern eine Brücke Decke aus mehreren Stoffenzu bauen, um die Kinder einzuladen, von den Verstorbenen, von sich und ihrem Erleben zu erzählen bzw. in den Ausdruck zu kommen. Sowohl in den Ritualen als auch in den kreativen Angeboten geht es darum, den Kindern ein möglichst breites Erleben von Selbstwirksamkeit zu ermöglichen.
Mitgestalten, sich ausdrücken, erinnern, erzählen, wünschen, Raum für Trauer, Wut, Lachen – dem Ideenreichtum sind keine Grenzen gesetzt. Eine Kommunikationshilfe kann zum Beispiel sein, beim Herbstspaziergang auch für den Verstorbenen einen bunten Strauß Blätter zu sammeln ("welches Blatt hätte dem Verstorbenen gut gefallen? Was hat der/die Verstorbene im Herbst gerne gemacht...") oder aus Kleidungsstücken des Verstorbenen eine Decke zu nähen.
Was bedeutet präventive Arbeit zu Tod und Trauer mit Kindern und Jugendlichen? Warum ist das wichtig?
Abschied, Tod und Trauer gehört zu der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen dazu. Der Tod begegnet ihnen und uns allen fast alltäglich – in den Nachrichten, in Büchern und Filmen. Sie selbst berührt er im Abschied von einem vertrauten Haustier, im Verlust eines geliebten Menschen ganz direkt. Kinder und Jugendliche haben viele Fragen zum Thema Tod und Trauer und brauchen – wie in allen Entwicklungsfragen – Erwachsene, die mit ihnen zusammen Fragen aushalten und Antworten suchen. Die präventive Arbeit zum Thema Tod ist der Raum hierfür.
Es geht weniger darum, DIE richtige Antwort zu geben – die es in Fragen rund um den Tod häufig nicht gibt – es geht darum, gemeinsam die Fragen zu bewegen, kreativ in den Ausdruck zu kommen, den vielfältigen Gefühlen Raum zu geben.
In der präventiven Arbeit lernt ein Kind seine Gefühle auszudrücken, Fragen zu stellen und sich Hilfe zu holen. So ist es sehr viel besser aufgestellt, wenn es in seinem Leben direkt mit Abschied, Tod und Trauer konfrontiert ist. Prävention ist auch im Themenfeld Abschied, Tod und Trauer eine Investition in die Zukunft. Denn diese Themen sind Teil unseres Lebens.